Hepatitis E Virus – Wissenswertes zu einem unterschätzten Erreger von Leberentzündungen

Das Hepatitis E Virus (HEV) ist ein unbehülltes und relativ kleines RNA-Virus aus der Familie der Hepeviridae. Derzeit sind vier humanpathogene Genotypen bekannt, die alle einem Serotyp zuzuordnen sind (King et al., 2011). Die Genotypen 1 und 2 sind auf den Menschen beschränkt und sind für Ausbruchsgeschehen viraler Hepatitiden in Entwicklungs- und Schwellenländern verantwortlich. Hierbei wird fäkal kontaminiertes Trinkwasser als Hauptübertragungsweg angesehen. Die Genotypen 3 und 4 kommen u.a. auch bei Wild- und Hausschweinen vor (Modrow et al., 2010; Pischke et al., 2014). In Deutschland und anderen europäischen Ländern werden humane Infektionen vorwiegend durch den Genotyp 3 verursacht (Pischke et al., 2014). Seit 2001 kamen bei uns mehr als 3200 Fälle einer akuten HEV-Infektion zur Meldung (Robert Koch-Institut, Stand 09/2015). Die Inkubationszeit wird mit 2-6 Wochen angegeben (Kamar et al., 2014). Da schätzungsweise nur 1-2% der HEV-Infektionen mit den Symptomen einer klassischen akuten Hepatitis einhergehen, stellen die an das RKI gemeldeten Fälle nur einen Bruchteil der tatsächlichen Infektionen dar. In der Tat weisen 16,8% der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland HEV-spezifische Antikörper auf (Faber et al., 2012). Die Durchseuchung selbst steigt mit zunehmenden Lebensalter an (Faber et al., 2012). Bei Kindern sind deutlich niedrigere Antikörperprävalenzen beschrieben (Krumbholz et al., 2014).

Woher kommen all diese HEV-Infektionen?

Bis zu 50% der in Deutschland gehaltenen Hausschweine weisen Antikörper gegen HEV auf und hatten somit Viruskontakt (Krumbholz et al., 2013). Tiere mit einer aktiven HEV-Infektion sind äußerlich nicht von gesunden Tieren zu unterscheiden. Wenn ein solches Tier geschlachtet wird, so kann es beim Verzehr von ungenügend gegartem Fleisch bzw. Innereien zu einer Übertragung des Erregers kommen (Pischke et al., 2014). Daneben wird der direkte (berufliche) Kontakt zu (Wild)Schweinen als Risikofaktor für eine Infektion angesehen (Krumbholz et al., 2012, 2014). Bei Immunsupprimierten wurden mehrfach Infektionen durch Blutprodukte beobachtet (Pischke et al., 2014). Mittlerweile ist auch bekannt, dass die HEV-Infektion bei Immunsupprimierten chronisch verlaufen kann, d.h. das Virus ist noch nach sechs Monaten im Blut nachweisbar. Mitverantwortlich dafür ist eine verminderte HEV-spezifische T-Zellantwort. Aus der chronischen Infektion kann sich eine potentiell lebensbedrohende Leberzirrhose entwickeln (Pischke et al., 2014). Durch eine Abschwächung der Immunsuppression und ggf. durch die Gabe des antiviralen Wirkstoffes Ribavirin u.U. in Kombination mit Interferon-α kann eine chronische Infektion behandelt bzw. verhindert werden (Pischke et al., 2014).

Wie kann eine HEV-Infektion diagnostiziert werden?

Generell sollte bei V.a. auf eine Hepatitis immer auch an eine zugrundeliegende HEV-Infektion gedacht werden (Pischke et al., 2014). Dies gilt in besonderem Maße auch bei Patienten mit bereits vorbestehender Leberschädigung.

Bei Immungesunden sollten zunächst HEV-spezifische Antikörper (IgG und IgM) nachgewiesen werden. In den meisten Fällen wird ein hochtitriges IgM bereits mit Symptombeginn beobachtet, um dann innerhalb von 32 Wochen unter die Nachweisgrenze abzufallen (Kamar et al., 2014). Das IgG erreicht seinen Peak etwa vier Wochen nach Symptombeginn und persistiert dann für wenigstens 12 Monate auf hohem Niveau (Kamar et al., 2014). Es bleibt in den meisten Fällen lebenslang nachweisbar (Seronarbe). Mit Hilfe eines Immunblotes kann die Spezifität der im ELISA nachgewiesenen Antikörper bestätigt werden. Bei V.a. akute Hepatitis E sollte außerdem ein Virusgenomnachweis bevorzugt aus EDTA-Blut und ggf. aus Stuhl versucht werden. Bei einer akuten HEV-Infektion erfährt die Viruslast im Blut einen Gipfel bereits innerhalb der Inkubationszeit sowie in den ersten 2-3 Wochen nach Symptombeginn, um dann allmählich unter die Nachweisgrenze zu fallen (Kamar et al., 2014). Im Stuhl ist das Virus etwa zwei Wochen länger als im Blut nachweisbar (Kamar et al., 2014).

Beim Immunsupprimierten sind Antikörpernachweise häufig unzuverlässig. Hier sollte immer der Virusgenomnachweis geführt werden (Pischke et al., 2014). Für den Verdacht auf eine akute Virushepatitis besteht eine klinische Meldepflicht. Außerdem muss das Labor den direkten (RNA) und/oder indirekten (Antikörper) Virusnachweis melden. Definitionsgemäß liegt eine chronische HEV-Infektion vor, wenn die virale RNA auch sechs Monate nach Symptombeginn noch nachweisbar ist. Neuere Daten legen nahe, dass aber bereits nach drei Monaten fehlender Virusclearence von einer chronischen Infektion gesprochen werden kann (Kamar et al., 2014).

HEV_Zahlen_RKI_bis_2013

Zahl der an das Robert Koch-Institut gemeldeten akuten HEV-Infektionen. Dargestellt ist die Anzahl der Fälle pro Meldejahr 2001-2013 und die darin enthaltene Zahl der in Deutschland erworbenen Infektionen (=autochthon, d.h. zoonotischen Ursprungs). Quellen: Robert Koch-Institut Berlin und Mitteilungen des Arbeitskreises Blut des Bundesministeriums für Gesundheit (Bundesgesundheitsbl 2015; 58:198-218).

Zusammenfassung:

Bei Hepatitisverdacht sollte neben Hepatitis A/B/C auch immer an Hepatitis E gedacht werden!

  • Übertragung:
    rohes (Wild)Schweinefleisch; seltener Tierkontakt, ggf. Blut­produkte; fäkal-oral in Entwicklungsländern (Reiseinfektion)
  • Symptomatik:
    meist asymptomatisch; sonst wie akute Hepatitis (Ikterus, Transaminasenanstieg); Chronifizierung bei Immun­supprimierten mit Zirrhose möglich
  • Diagnostik:
    akut: Nachweis aus Blut mittels PCR, im Stuhl etwa 2 Wochen länger; Serum anti-HEV IgM mit Symptombeginn nachweisbar, anti HEV-IgG etwas verzögert (ELISA, zur Bestätigung Immunblot ); Meldepflicht (Ausnahmeziffer 32006)
    chronisch: bei Immunsupprimierten (Virusgenomnachweis >6/3 Monate)
  • Therapie:
    symptomatisch; bei Immunsupprimierten Reduktion der Immunsuppression, ggf. Gabe von Ribavirin u.U. kombiniert mit Interferon-α

 

Literatur:

Faber et al., Hepatitis E virus seroprevalence among adults, Germany. Emerg Infect Dis. 2012; 18(10):1654-7.

Kamar et al., Hepatitis E Virus Infection. Clin Microbiol Rev. 2014; 1: 116-138.

King et al., Virus Taxonomy, Ninth Report of the International Committee on Taxonomy of Viruses, Elsevier, 2011; 1021-1028.

Krumbholz et al., Prevalence of hepatitis E virus-specific antibodies in humans with occupational exposure to pigs. Med Microbiol Immunol. 2012; 201(2):239-44.

Krumbholz et al., Age-related and regional differences in the prevalence of hepatitis E virus-specific antibodies in pigs in Germany. Vet Microbiol. 2013; 167(3-4):394-402.

Krumbholz et al., Prevalence of hepatitis E virus antibodies in children in Germany. Pediatr Infect Dis J. 2014; 33(3):258-62.

Krumbholz et al., Seroprevalence of hepatitis E virus (HEV) in humans living in high pig density areas of Germany. Med Microbiol Immunol. 2014; 203(4):273-82.

Mitteilungen des Arbeitskreises Blut des Bundesministeriums für Gesundheit. Bundesgesundheitsbl. 2015; 58:198-218.

Modrow et al., Molekulare Virologie, Spektrum-Akademischer Verlag, 3. Auflage, 2010; 190-95.

Pischke et al., Hepatitis E in Germany—an underreported infectious disease. Dtsch Arztebl Int 2014; 111: 577–83.

Verfasser:

PD Dr. A. Krumbholz
Labor Dr. Krause & Kollegen MVZ GmbH
Steenbeker Weg 23
24106 Kiel
krumbholz@labor-krause.de
Tel. 0431-22010-131